रविवार, 5 जनवरी 2025

Die Assads: Wie eine Familie Syrien terrorisierte



Untertitel: WDR mediagroup GmbH im Auftrag des WDR

Lady Di, da war was dran an diesem Vergleich. Und wir Diplomaten, wir ließen uns verführen. Dieses Paar war der perfekte Hoffnungsträger.

Es hatte sehr viel mit ihr zu tun, dass wir glaubten, Baschar al-Assad würde Syrien verändern.

Sie war eine sehr schöne Frau. Und sie wollte von mir wissen: Wie werde ich eine gute First Lady?

Sie war nett. Es ist gar nicht so einfach, das heute zu sagen, jetzt, wo wir wissen, was in Syrien passiert.

Wenn die Menschen eines Tages diese Fotos sehen, werden sie den Berichten von Amnesty International über Syrien nicht glauben. Hunderttausende politische Gefangene, Menschen, die zu Tode gefoltert werden. Die Leute werden sagen: Das kann nicht sein.

Asma al-Assad, die First Lady Syriens. Der Westen sah in ihr das Ideal einer arabischen Herrscherin. Schön, gebildet und modern. Heute gilt sie als Komplizin eines Diktators, der Verbrechen an seinem Volk begeht. Ihre Geschichte ist die Geschichte einer Täuschung, und sie beginnt bei uns im Westen. Asma Akhras ist die Tochter wohlhabender Syrer in London. Sie wird wie ein britisches Mädchen erzogen. Als Schülerin nennt sie sich Emma und geht auf eine feine englische Mädchenschule.

In diesem Londoner Vorort lebt ihre Familie, ihr Vater ist ein syrischer Arzt mit eigener Praxis. Wohlhabend, erfolgreich, angekommen im Westen. Auch Asma wird erfolgreich werden. Sie arbeitet bei der Deutschen Bank als Finanzanalystin und will an Harvard studieren. Als sie in den 90er-Jahren einen angehenden Augenarzt kennenlernte. Einen Syrer. Unscheinbar, ein wenig schüchtern und nur für eine kurze Zeit in London.

Ich hatte schon immer 2 Ziele: Mein Kindheitstraum war es, an Harvard zu studieren. Und ich wollte für Syrien arbeiten, den Menschen in Syrien helfen. Auch wenn ich da nicht lebte. Als ich dann endlich meine Zusage für Harvard bekam, traf ich meine große Liebe. Und wer würde sich schon für Harvard und gegen die Liebe entscheiden?

Die große Liebe von Asma heißt Baschar al-Assad und gehört zum Familien-Klan der Assads. Sein Vater Hafiz hatte sich 1970 in Syrien an die Macht geputscht. Jeder, der nach Syrien reist, erkennt schon an jedem Grenzübergang, wo er gelandet ist, nämlich in Assads Syrien. Dieses Land befindet sich im Privatbesitz eines mafia-ähnlich organisierten Clans. Alles in diesem Land dient der Herrschaft Assads, weil diese ganze Gesellschaft durchsetzt ist von einem Netzwerk, dass die Assads sehr kunstvoll gelegt und gebaut wurden, im Laufe der Jahrzehnte. Hafiz al-Assad regiert den sozialistischen Ein-Parteien-Staat Syrien mit Hilfe von Militär und Geheimdiensten. Jeder Kritiker wird aus dem Weg geräumt, der Diktator lässt Tausende Menschen verhaften, foltern, verschwinden. Das Land ist heruntergewirtschaftet und korrupt.

Als Hafiz im Jahr 2000 starb, gilt Syrien als eine der dunkelsten Diktaturen der Welt. Die inszenierten Trauermärsche täuschen. Der Tod des Diktators bedeutet für viele Menschen Hoffnung auf Veränderungen.

Hafiz al-Assad hatte seinen Nachfolger selbst bestimmt: Sein Sohn Baschar ist der einzige Kandidat für die Wahl zum neuen Präsidenten.

Anwar al-Bunni. Syrischer Menschenrechtsanwalt: Als Hafiz al-Assad tot war, hatte ich das Gefühl, aus einem Albtraum aufzuwachen. Und ich war sicher, dass sein Nachfolger, egal, ob Baschar oder ein anderer, besser sein würde. Hafiz al-Assad war wie eine Krake für Syrien, die sich in der ganzen Gesellschaft ausgebreitet hatte.

Der Sohn ist kein Herrscher-Typ. Es heißt, er hätte die Macht nicht gewollt und wäre lieber Augenarzt geworden.

Ammar Abd Rabbo. Syrischer Fotograf: Ich hatte schon früher Fotos von ihm gemacht, ein paar Jahre bevor er Präsident wurde. Auf mich wirkte er damals schüchtern und fast schon peinlich berührt von dem, was um ihn herum passierte. Ich habe mir sehr viel von ihm erhofft. Dass er die Diktatur beenden würde, dass er so jemand sein könnte wie Gorbatschow.

Von einer First Lady an der Seite des neuen Präsidenten haben die Syrer weder etwas gehört noch gesehen. Die Hochzeit mit Baschar al-Assad findet heimlich statt, und angeblich reist Asma al-Assad dann unerkannt durch das Land, um es kennenzulernen. Sie will, so wird sie später sagen, die Botschafterin aller Menschen in Syrien werden.

Die Wahl von Baschar al-Assad zum neuen Präsidenten Syriens ist keine demokratische Wahl. Doch mit ihm, so glauben viele Syrer, wird die Demokratie kommen.

Joumana Seif. Syrische Regime-Kritikerin: Wir haben nur Gutes von ihm gehört. Man redete von dem jungen, netten Baschar, der uns Reformen und Demokratie bringen wollte. Wir dachten, mit ihm käme der Neuanfang, eine ganz neue Zeit für Syrien. Joumana Seif hatte unter Hafiz al-Assad in ständiger Angst gelebt, denn sie ist die Tochter eines Regimegegners. Und es gehört zur Methode der syrischen Geheimdienste, ihre Kritiker gefügig zu machen, indem die Familien bedroht werden.

Ihr Vater Riad Seif ist bis heute einer der bekanntesten Oppositionellen Syriens. Der einst erfolgreiche Unternehmer hatte sich im Kampf gegen Korruption und Unterdrückung mit Baschar al-Assads Vater angelegt. Doch für das Regime war er zu weit gegangen, er hatte eine Grenze überschritten.

Es war 1996. Baschars Vater war noch an der Macht, als mein Bruder spurlos verschwand. Er war 21 Jahre alt und mit einem Freund ans Meer gefahren. Der Freund kehrte zurück, mein Bruder nicht. Er wurde nie gefunden. Wenn man in Syrien lebt, versteht man, was damit gemeint ist. Es war für uns ganz klar eine Warnung des alten Regimes an meinen Vater, der angefangen hatte, sich politisch zu engagieren.

Die Zeit der Angst scheint mit der Präsidentschaft von Baschar al-Assad vorbei zu sein. In seiner 1. Rede kündigt Wirtschaftsreformen an, verspricht gesellschaftliche Veränderungen, und sogar von Demokratie ist die Rede. Es ist eine Ermutigung für viele Syrer, die von Freiheit träumen.

In diesem Jahr 2000 geschah endlich etwas in diesem Land, die Leute fingen an, sich zu treffen und zu diskutieren. Es gab politische Veranstaltungen. Die ersten heißen "Nationaler Dialog" und fanden im Haus meines Vaters statt. Es war immer überfüllt, Hunderte kamen und diskutierten über alles, was Ihnen auf dem Herzen lag. Sie wollten über Syrien reden. Man spürte, wie groß die Sehnsucht danach war, mitreden zu dürfen, sich zu beteiligen und endlich etwas zu verändern.

Erst ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt erscheint der junge Präsident mit seiner Ehefrau aus England zum 1. Mal in der Öffentlichkeit.

In den ersten Monaten war alles sehr geheimnisvoll. Wir haben von einer schönen, jungen Frau aus London gehört. Es hieß auch, sie sei sehr gebildet, habe studiert und bei der Deutschen Bank gearbeitet. Aber warum sie ihre Karriere und das alles aufgegeben hatte, um nach Syrien zu kommen, das war ein Rätsel. Warum machte sie das?

David Lesch. Assad-Biograf: Es hatte viel mit ihr zu tun, dass die beiden sehr westlich wirkten. Natürlich sprach sie perfekt Englisch. Und sie war eine weltgewandte, elegante Frau. Sie war fest entschlossen, sich einzumischen, nicht im Hintergrund zu bleiben wie Baschars Mutter, die zwar Macht hatte, aber nie zu sehen war. Asma wollte anders sein. So kam der Eindruck zustande, dass mit ihr als First Lady eine neue Ära, etwas Neues beginnen könnte.

Sir Timothy Bell. PR-Berater: Als ich sie kennenlernte, fragte sie mich: Wie werde ich denn eine gute First Lady? Es war damals gerade sehr angesagt, was die amerikanische First Lady Laura Bush machte. Sie reiste in der Welt herum und organisierte Konferenzen für Frauen von Stadtführern. Asma fragte also, wie mache ich so was? Ich sagte, Sie brauchen einen Plan, ein Büro, Mitarbeiter und Geld, und dann fangen Sie an. Und sie fragte mich, ob Sie mir dabei helfen. So kamen wir ins Geschäft.

Asma al-Assad will nicht nur eine gute First Lady sein, sie will auch eine First Lady sein, die im Westen gut ankommt. Es dauert nicht sehr lang, da organisiert sie auch Konferenzen für First Ladys aus der Nachbarschaft. Derartige Auftritte kannte man in Damaskus bis dahin nicht.

Ich wurde also nach Damaskus eingeladen. Und dann trafen wir uns in diesem riesigen Palast. Ich weiß noch, ich lief durch endlose Marmorhallen mit Springbrunnen. Irgendwo in der hintersten Ecke saß sie ganz verloren in einem kleinen Büro. Ansonsten war es dort völlig menschenleer, nur sie und ich. Einen Kaffee zu bekommen, dauerte ewig. Ich fühlte mich überwacht, immer beobachtet von den Regierungs Leuten. Ich hatte den Eindruck, sie passen auf, dass Asma nicht außer Kontrolle gerät und dass ich sie nicht zu irgendwas ermutige.

Wir trafen uns oft und sprachen darüber, wie sie eine gute First Lady wird. Asma wollte einerseits wirklich Gutes tun. Sie wollte sich um die Benachteiligten kümmern. Aber sie wollte auch als Wohltäterin wahrgenommen werden. Sie reiste also durch das Land. Und es wirkte oft so, als käme eine Königin vorbei. Sie war eine gute Kundin. Heute würde man das natürlich nicht mehr sagen. Aber damals schon. Sie war hilfsbereit, freundlich, sie zahlte pünktlich und sie zahlte sehr anständig.

Die Investition lohnt sich. Bald beherrscht Asma al-Assad den Auftritt als perfekte First Lady. 2 Jahre nach Beginn seiner Präsidentschaft begleitet sie Baschar al-Assad zum 1. Staatsbesuch nach England, in ihre Heimatstadt London. Es wird ein Triumph für das Paar aus Syrien. Das Protokoll sieht Besuche beim Premierminister und der Queen vor.

The President of Syria and Mrs. al-Assad. Good afternoon. How are you?

Hello, nice to meet you. Man hört, Sie sind hier sehr beschäftigt.

Ich habe hier ja früher als Arzt gearbeitet, es ist komisch, als Präsident hier zu sein.

Ah, Sie haben hier gearbeitet. 

Ja, eine Zeit lang musste ich Kurse im King's College besuchen und den Bus nehmen.

In Ihrer alten Schule wird Asma al-Assad wie ein Star empfangen. Sie hat etwas aus sich gemacht, sie ist die First Lady eines Landes. Sie ist schön und sie ist reich.

Bente Scheller. Heinrich-Böll-Stiftung Beirut: Man hatte dieses Auftreten, mit dem man signalisierte, man ist Europa ähnlich. Für Europa ist es natürlich immer angenehm, Leute zu haben, Staatsführer zu haben, die ähnlich agieren, ähnlich denken. Und ich denke, das war für viele damit verbunden. Wer auftritt wie wir, wer sich gibt wie wir, wer die gleichen Dinge mag wie wir, könnte auch politisch auf einer Linie liegen, war ein sehr naheliegender Gedanke.

Das politische Interesse des Westens an einer Zusammenarbeit mit Baschar al-Assad beruht jedoch auf Angst. Angst vor islamistischem Terror.

Wir verurteilen jeden, der in irgendeiner Weise etwas mit Terrorismus zu tun hat. Ich glaube aber, dass wir gute Beziehungen zu Syrien haben sollten. Denn Syrien ist für uns ein wichtiger Partner für Frieden im Mittleren Osten. (spricht syrisch)

(Dolmetscherin) "Syrien ist bekannt für seinen Kampf gegen den Terrorismus, den wir schon seit Jahrzehnten führen."

Da wollte man eben nach Europa signalisieren: Wir sind eigentlich ein sehr guter Partner für euch. Explizit formuliert hat er das ganz besonders im Kampf gegen den Terrorismus. Das war für Baschar al-Assad ein Punkt, um mit dem Westen anzuknüpfen und eben noch mal verstärkt um sich zu werben und zu sagen: Euer natürlicher Partner in der Region sitzt hier. Damit wollte er Europa bewegen, auf ihn zugehen.

Am Tag, bevor sie London verließen, machte ich diese Fotos mit ihrem 1. Kind. Es sagt viel über das Regime und seine Propaganda aus. Die arabische Zeitschrift, die dieses Foto auf dem Titel hatte, wurde nämlich in Syrien sofort verboten. Dieses Bild war nur für Europa. Die Syrer sollten den Präsidenten nicht so sehen, nicht so normal, nicht als Vater, nicht wie jemand Nettes.

Ich glaube, am Anfang wollte Baschar wirklich etwas verändern. Aber dann wurde ihm klar, dass politische Freiheit zum Chaos führen und das Land destabilisieren kann. Und dass Chaos sogar das Ende seiner Herrschaft bedeuten könnte.

Während die Assads sich in London noch als große Hoffnung für den Mittleren Osten präsentieren, wird der politische Aufbruch in Syrien von der Regierung bekämpft. Das Regime hat ein neues Gesicht, doch es ist die alte Brutalität. Davon gibt es keine Fotos, keine Filme.

Baschar al-Assad fürchtet, dass sein Klan an Macht verlieren könnte. Er lässt alle wichtigen Anführer der Opposition, darunter auch Riad Saif, durch seine Geheimdienste verhaften. Sie hatten nichts anderes getan, als sich zu treffen und zu diskutieren.

Ich war völlig schockiert und hatte Angst, dass sie ihn umbringen würden. Gleichzeitig bedeutete seine Verhaftung, dass es vorbei war. Vorbei mit allen Hoffnungen auf Freiheit und Demokratie. Es war Schluss mit allem, wovon wir geträumt hatten.

Riad Seif wird wegen staatsfeindlicher Aktivitäten zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Westen reagiert mit einer Protestnote.

Frank Hesske. EU Botschafter in Syrien 2002-2007: Alle wurden gebrieft von den Außenministerien, dass das ein repressives Regime ist, dass es dort massive Menschenrechtsverletzungen gibt, dass die Gefängnisse mit politischen Gefangenen voll sind. Dann kam man in Damaskus, und das war ein schöner Moment. Damaskus ist eine schöne Stadt. Sie liegt wunderbar am Qasyun. Die Altstadt ist bezaubernd. Die Restaurants waren voll. Ja, wo ist die Repression? Warum ist das alles hier so schlecht? Dann wurden die Auftritte von Baschar al-Assad empfunden als nette Auftritte, wo man ihm gerne zuhörte und zusah. Er war ein sympathischer, westlich geprägter, junger Mann. Er hatte keine Herrscher Allüren. Ganz und gar nicht. Er wirkte in jeder Hinsicht locker. Ein hoch aufgeschossener junger Mann. Der von Anfang an Sympathie ausstrahlt. Der keineswegs erscheint als der Repräsentant eines repressiven Regimes. Sie unterstrich noch einmal diesen sympathischen Eindruck, den ihr Mann machte. Wenn er in die Oper kam , sehr lässig. Und spontan brandete Beifall auf. Man hatte den Eindruck, das Volk liebt ihn. Und wir Diplomaten, wir ließen uns verführen.

Jeder, der von Baschar al-Assads Menschenrechtsverbrechen wissen wollte, wusste auch davon. Es war völlig klar: Das ist ein Diktator, und das Regime hat sich nicht geändert. Es gab genug Berichte über das, was wirklich hinter den Kulissen passierte. Wer das sehen wollte, konnte es auch sehen.

Kristin Helberg. Syrien-Korrespondentin 2001-2008: Das wussten auch die diplomatischen Vertreter der EU, aber man musste eben abwägen. Brauchen wir Assad für unsere Interessen? Ist es jetzt so wichtig, dass wir immer wieder auf die Zustände in den Gefängnissen zu sprechen kommen? Oder können wir das beiseite lassen und über Wirtschafts-Deals und die Öffnung der syrischen Wirtschaft sprechen?

Ich kann mich an einen Auftritt von ihr erinnern, wo sie mich begeistert hat und andere auch. Und das war anlässlich einer Unternehmerinnen-Tagung in Damaskus. Wo sie eine Eröffnungsrede hielt, wo all die Vokabeln drin waren, die man in Europa, in Brüssel, in Paris, in London gehört hätte, über die Notwendigkeit, offene Märkte zu schaffen, den Wettbewerb zu forcieren. Um Wohlstand zu erzeugen für die Bevölkerung. Wunderbare Rede. Da habe ich immer nur gedacht, dass die Frau, die bei der Deutschen Bank gearbeitet hat, bei JP Morgan, als Finanzanalystin. Das war fantastisch. Ich weiß nicht, welcher Journalist sie mal als Lady Diana des Orients bezeichnet hat. Man muss ja hier einen gewissen Respekt wahren. Sie konnte Public Relations. Insofern war für mich Lady Di... Da war was dran an diesem Vergleich. Sie war ja ein Darling.

März 2003. Die US-Invasion im Irak. Unter dem Vorwand, der irakische Diktator Saddam Hussein sei im Besitz von Massenvernichtungswaffen, will US-Präsident Bush ihn stürzen. Als unmittelbarer Nachbar des Irak fühlt sich das syrische Regime bedroht. Assad fürchtet, es könnte im Interesse der Amerikaner sein, auch die Ära Assad zu beenden.

Baschar al-Assad war sich sicher, dass Syrien als Nächstes ins Fadenkreuz der Amerikaner geraten würde. Und deshalb unterstützte er die Islamisten, die im Irak Amerikaner und andere Mitglieder dieser Koalition töteten.

Baschar al-Assad kennt die Angst des Westens vor dem islamistischen Terror. Er weiß: Solange es diese Bedrohung gibt, wird er als Partner im Kampf gegen die Terroristen gebraucht. Und er, der Diktator, wird immer das kleinere Übel sein.

Als ein Jahr später am Hauptbahnhof in Madrid fast 200 Menschen bei dem bislang größten islamistischen Terroranschlag in Europa starben, da zeigte auch das syrische Präsidentenpaar seine Anteilnahme.

Das ist ein interessanter Moment, 2004. Der Hauptbahnhof in Madrid. Die beiden zünden hier gerade eine Kerze an, um der Opfer des Terrors zu gedenken. Heute wissen wir, dass zur selben Zeit das Assad-Regime die Dschihadisten im Irak, also die Keimzelle von Al Kaida und dem IS dort unterstützt. Das Bild ist für mich deshalb so bedeutsam, weil es den Handel, den Deal symbolisiert, den Assad dem Westen anbietet: Entscheidet euch. Ich kann gehen, aber dann habt ihr die am Hals. Ich oder die Terroristen, wen wollt ihr? Das ist eine gute Verhandlungsbasis, um an der Macht zu bleiben. Und ein Deal, den viele europäische Regierungen akzeptiert haben. Zu Lasten von 22 Mio. Syrern.

Asma al-Assad tut derweil Gutes und hat ein ganzes Netz von scheinbar unabhängigen Organisationen gegründet. Frauenrechte, Bildung, Jugend. International bringt ihr dieses Engagement Bewunderung ein, aber sie ist Teil des Regimes, Teil der Lüge.

Ich hoffe, Sie haben nicht den Eindruck, dass die Menschen hier nicht kritisch sind und sich nicht über die Regierung beschweren und die wirtschaftliche Krise. Die Menschen hier beschweren sich genau so viel wie überall auf der Welt. Aber sie sollten sich nicht nur beschweren, sie müssen mit an den Lösungen arbeiten.

Vielleicht wollte sie anfangs wirklich etwas ändern. Aber im selben Moment waren die Gefängnisse voll mit politischen Häftlingen. Es wurde weiter gefoltert. Oppositionelle wurden weiter verhaftet und verurteilt, oft ohne eine Verhandlung. Das Regime hatte sich nicht geändert, aber ihr Gesicht lenkte von der Wahrheit ab, und das war vielleicht auch ihre Aufgabe.

Unter der Herrschaft von Baschar al-Assad ist das syrische Regime bald wieder so finster und menschenverachtend wie früher. Nicht nur die politischen Häftlinge sind in Gefahr, auch alle, die ihnen nahestehen, alle, die sie lieben. Das ist die Strategie der Geheimdienste.

Sie haben meinen Vater ständig bedroht und ihm ins Gesicht gesagt: Du hast schon einen Sohn verloren. Aber du hast ja noch eine Tochter und einen weiteren Sohn. Die kannst du sehr leicht auch noch verlieren. So drohte man ihm. Das ist so unglaublich. Wir lebten in einem Polizeistaat, einer Diktatur, wir waren nichts wert. Sie verfügten einfach über unser Leben. Und es gab nichts, kein Gesetz, auf das wir uns berufen konnten, das uns geschützt hätte. Wir hatten nicht einmal das Recht, zu widersprechen. So ist das Leben in Syrien bis heute.

In Syriens Folterkellern, in Syriens Gefängnissen, werden die Leute so lange gefoltert, bis sie sagen: Es gibt keinen Gott außer Baschar. Das ist der Satz, den die Geheimdienstler hören wollen am Ende. Das ist ein Gott-ähnlicher Status, den sie selbst Baschar auch geben. Viele dieser Schabiha-Milizionäre haben sein Porträt tätowiert an ihrem Körper. Das ist ihr Gott, für den sie arbeiten und in dessen Realität sie sich eingerichtet haben.

Im Februar 2005 wurde der libanesische Ministerpräsident Rafiq al-Hariri durch einen Bombenanschlag getötet. Die UN-Sonderermittler finden Hinweise, dass die Spur der Mörder nach Damaskus führt. Es heißt, Assad selbst habe den Anschlag befohlen. Beweise werden nie gefunden. Aber die internationale Empörung ist groß, und Assad fällt in Ungnade.

2 Monate nach der Ermordung Hariris war die Beerdigung von Papst Johannes Paul II. Der Vatikan konnte niemandem eine Teilnahme an den Trauerfeierlichkeiten verwehren. Und so fuhren auch Asma und Baschar al-Assad dorthin. Niemand wollte mit Baschar reden, niemand wollte mit ihm gesehen werden. Und hier kann man sehen, welche Funktion Asma hatte. Denn sie konnte die Königin von Spanien ansprechen. Und hier ist sie mit Cherie Blair. Denn sie ist ja nett. Und so wäre es schwierig gewesen, für die spanische Königin oder Cherie Blair oder andere, sie einfach stehen zu lassen. Man sieht hier, dass sie eine Funktion für das Regime hatte. Nämlich das gute Gesicht von Syrien zu zeigen, als Instrument der Außenpolitik. Wäre Baschar al-Assad allein auf der Beerdigung gewesen, ich bezweifle, dass jemand mit ihm gesprochen hätte. Aber mit Asma war es etwas anderes.

Ein Jahr später will die EU in Damaskus ein unabhängiges Zentrum für Menschenrechte gründen. Ohne Beteiligung des Regimes.

Wir hatten ein Projekt angeschoben, wo es das Ziel war, dem interessierten syrischen Publikum, Journalisten, Anwälten, einen Einblick zu geben in die hohe Anzahl von UN-Konventionen, die Syrien unterschrieben hatte. Zum Problem Flüchtlinge, zum Problem Menschenrechte usw.

Der syrische Menschenrechtsanwalt Anwar al-Bunni wird für diese Idee teuer bezahlen.

Die EU machte mich zum Leiter dieser Einrichtung, weil ich als Menschenrechtsanwalt in Syrien sehr bekannt war. Ich hatte schon seit den 90ern politische Häftlinge unter großen Schwierigkeiten verteidigt. Im Auftrag der EU wurde also ein großes Büro angemietet, sie schafften Computer an und bezahlten die komplette Einrichtung. Zu der Eröffnung erschienen 27 Repräsentanten der Europäischen Union, darunter 12 Botschafter.

Im Nachhinein fragt man sich natürlich, was die EU sich dabei gedacht hat. Also haben sie ein Menschenrechtszentrum eröffnet mit Anwar al-Bunni an der Spitze, ohne das politisch abzusichern. Wer weiß, wie dieser Staat funktioniert, hätte er das anders machen müssen? Das hat wahrscheinlich nicht geklappt. Deswegen hat man den Mut gehabt, ein Zentrum zu eröffnen. Ich war bei der Eröffnung. Da wurden hübsche Reden gehalten. Nach einer Woche war das Zentrum wieder geschlossen.

Die Leute vom Geheimdienst überfielen mich vor meinem Haus und nahmen mich mit. Sie brachten mich in ein Verhörzentrum der Staatssicherheit. Ich wurde nicht gefoltert, aber sie haben mich geschlagen. Vorher haben sie mir die Augen verbunden, damit ich die Schläger nicht sehen kann. Und vielleicht irgendwann mal wieder erkennen. Am 2. Tag brachten sie mich ins Gefängnis, und dann wurde mir der Prozess gemacht.

Ich wurde ins Außenministerium zitiert. Ich wurde von der Einmischung in die internen Angelegenheiten von Syrien bezichtigt. Ich sollte sofort diese Initiative stoppen, was ich auch tat. Und… Ja, ich bin damals knapp an der Persona non grata vorbeigekommen.

Man verurteilt mich zu 5 Jahren. Mir wurde Verschwörung und Gründung einer internationalen Organisation vorgeworfen.

Das Europäische Parlament fordert die syrischen Behörden auf, Anwar al-Bunni und andere politische Aktivisten unverzüglich freizulassen und zu gewährleisten, dass sie in der Haft nicht misshandelt werden. Anwar al-Bunni aber wird seine Haftstrafe von 5 Jahren vollständig verbüßen. Er wird geschlagen, misshandelt, sogar mit dem Tode bedroht.

Die EU verfolgte dann auf anderen Wegen eine andere Politik. Es ging um das  Assoziierungsabkommen, also die wirtschaftliche Anbindung an Europa. Es ging darum, mit Baschar al-Assad wieder sich anzunähern, weil man ihn in der Region brauchte. Deswegen wurde er nach Paris eingeladen. Sarkozy holte ihn auf das internationale Parkett zurück.

Asma und Baschar al-Assad reisen 2008 nach Paris, ein Besuch, dem bald weitere folgen sollen. Ein großer Auftritt: Asma wird von einer französischen Modezeitschrift zur elegantesten First Lady der Welt gekürt.

Sie wollten, dass Syrien ein Teil der Weltwirtschaft wird. Und sie wollten internationale Anerkennung, sie wollten zu den höchsten Kreisen dazugehören. Sie hassten es, isoliert zu sein. Und da sie es geschafft hatten, ihre Isolation nach der Ermordung Hariris so schnell zu überwinden, war das ein Triumph. Sie hatten es überwunden, sie glaubten, sie hätten gewonnen. Und so glauben sie, dass das immer wieder klappen kann.

Es kommen auch wieder Politiker aus Europa nach Damaskus, und den Besuchern mag es so gehen wie vielen andere Diplomaten auch. Von Menschenrechtsverbrechen weiß man, aber man sieht sie nicht. Die Deutschen unterschreiben ein finanzielles Abkommen mit Syrien. Allein 2008 wurden 26 Mio. Euro für Entwicklungsprojekte zugesagt. Ex-Kanzler Schröder reist zu Wirtschaftsgesprächen an, lässt sich mit einer Ehrendoktorwürde auszeichnen und vom Präsidenten empfangen.

Nach Feierabend macht der Präsident Fotos für das Familienalbum. Ein normales Paar mit 3 Kindern, die Assads von nebenan.

Zu Hause ist er kein Präsident. Da ist er Ehemann, Freund. Und er ist Vater. Er duldet es nicht, dass irgendwelche offiziellen Pflichten unsere Privatsphäre stören, niemals. Er ist da, er ist eine Unterstützung, er ist lustig. Und die Kinder sind verrückt nach ihm.

Es ist sehr wichtig, zu begreifen, dass sie Menschen sind. Manchmal sagen mir Leute: Das Foto da ist viel zu nett, zu schön. Es zeigt ihn als Menschen, und dabei ist er doch ein Monster. Und ich sage dann: Nein, er ist kein Monster, er ist ein Mensch, der sich wie ein Monster verhält. Ich finde es wichtig, sich daran zu erinnern. Denn das macht ihn haftbar, und er wird sie eines Tages vor Gericht bringen.

Damaskus 2009. Ein französisches Fernsehteam begleitet die Assads auf ihrem Weg zur Oper.

Syrien ist ein sicheres Land. Hier ist die Scheibe nicht kugelsicher. Man ist nicht wegen der Bodyguards sicher, sondern man ist nur sicher in einer sicheren Gesellschaft. Ich möchte nicht an all die Risiken denken, denn dann gehen wir offener mit den Menschen um, meine Frau und ich.

Als Joumanas Vater Riad Seif nach 5 Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird, schweigt er nicht. Er bleibt unbeirrbar in seiner Kritik am Regime und an den Assads. Und er wird wieder verfolgt.

Ich erinnere mich an eine Nacht im Februar. Es war ausgerechnet am Valentinstag, und wir hatten Gäste. Da kamen sie um 3 Uhr nachts zu uns nach Hause. Diese Leute werden Fledermäuse genannt, denn sie kommen immer nur nachts. Es waren riesige Männer, Muskelpakete, sie hatten Waffen und trugen Masken. Sie kamen nicht nur zu uns, sie kamen auch zu meinem Bruder, zu meinem Cousin, meinem anderen Cousin. Zu allen aus unserer Familie. Sie sagten, sie suchen meinen Vater. Sie zerrten alle aus ihren Häusern in die Kälte, in Schlafanzügen und nahmen sie mit. Das Schlimmste war, dass die Kinder das miterlebten, wie diese vermummten Männer mit ihren Waffen in unser Haus kamen und uns bedrohten. Dann bekamen wir noch eine Botschaft: Wenn ihr irgendwas von den Verhaftungen erzählt, dann könnt ihr mit Vergeltung rechnen. Es waren furchtbare Zeiten für meine Familie. Sie bedienten sich aller Mittel, um uns zu vernichten und meinen Vater zu brechen.

Das ist das letzte Foto, das ich von ihnen gemacht habe. Ein paar Monate später begann die Revolution, und alles änderte sich.

Im März 2011 erreicht der Arabische Frühling auch Syrien. Die Menschen schreien jetzt ihre Sehnsucht nach Freiheit und ihre Wut heraus. Das Regime unter Baschar al-Assad reagiert mit dem, was es am besten kann: mit Gewalt, mit Verhaftungen, mit Folter, mit Mord. Als der Präsident nach Wochen vor dem Parlament tritt, gleichen die Bilder auf gespenstische Weise den Bildern seiner 1. Rede 11 Jahre zuvor, als viele Hoffnungen auf ihm ruhten. Jetzt steht da ein Mann, der leere Parolen aufsagt. Er spricht unter dem Applaus seiner Claqueure von einer Verschwörung ausländischer Feinde.

Aus dem Aufstand wird ein Krieg. Jeder, der sich gegen Assad stellt, ist für das Regime ein Terrorist. Der Präsident lässt syrische Städte und das syrische Volk, sein Volk, bombardieren. Die Vereinten Nationen schätzen, dass bisher weit über 400.000 Menschen in diesem Krieg starben. Darunter viele Kinder.

Einmal fragte meine kleine Tochter: Papa, was machst du eigentlich? Du gehst ins Büro, und manchmal sehen wir dich im Fernsehen. Aber was ist dein Beruf? Und er sagte: Ich versuche, Menschen zu helfen. Seitdem sagt sie jedem: Mein Vater versucht, den Menschen in Syrien zu helfen.

Fast die Hälfte aller Syrer, Männer, Frauen und Kinder, müssen wegen des Krieges aus ihrer Heimat fliehen. Wie viele Menschen noch in Syriens Gefängnissen sitzen, wie viele verschwunden sind, zu Tode gefoltert wurden, weiß keiner genau. Augenzeugen sprechen von Zehntausenden.

Bis auf wenige Auftritte in der Öffentlichkeit ist Asma al-Assad aus der realen Welt lange verschwunden. Sie ist eine Darstellerin in Videos und auf Fotos des syrischen Regimes geworden, eine First Lady der Propaganda.

Asma steht fest an der Seite ihres Mannes. Sie glaubt an das, was das syrische Regime tut. Und sie glaubt einfach daran, dass sie und ihr Mann Syrien retten werden. Ich denke, sie wird bei ihm bleiben, bis zum Ende. Egal, wie es ausgeht.

Die Familie von Joumana Seif lebt heute in Berlin und ist in Sicherheit. Ihr Vater hat viele Jahre in syrischen Gefängnissen überlebt und kämpft aus dem Exil weiter für ein freies Syrien. Ein Syrien ohne Assad.

Ein Frieden mit den Assads ist für mich völlig unvorstellbar. Sie haben furchtbare Verbrechen an Menschen zu verantworten. Menschen, die nur ihre Freiheit wollten.

Jetzt gerade geht es ja darum, dass Assad sagen wird: Der Krieg ist vorbei, ich habe gewonnen. Und der Westen muss sich überlegen, will er dort mitmachen, will er tatsächlich Assad rehabilitieren. Und ich glaube, das Image dieses Präsidentenpaares hilft dem Westen dabei. Weil Assad so ist, wie er ist, und weil er so auftritt mit seiner Frau, ist die Chance sehr groß, dass Politiker sagen: Wunderbar, wir schicken die Flüchtlinge zurück und die Millionen noch dazu, damit Assad sein Land wieder aufbauen kann. Und dann hoffen wir mal, dass sich die Syrer damit arrangieren. Aber solange er an der Macht ist, werden die meisten Syrer nicht zurückgehen, weil für sie Lebensgefahr besteht.

Ich wüsste gern, wie es ist, wenn sie allein sind. Glauben sie selbst an ihre Lügen? Oder wissen Sie, wer sie sind und was in ihrem Namen passiert?