शनिवार, 9 अगस्त 2014

Indiens Haushalt setzt auf Wachstum statt Sparkurs

Regierung verspricht hohe Sozialausgaben und weniger Schulden / Tiefgreifende Wirtschaftsreformen bleiben aus / Von Katrin Pasvantis
Mumbai (gtai) - Indiens Finanzminister präsentierte am 28.2.11 den Haushaltsentwurf für das im April beginnende Finanzjahr 2011/12 (1.4. bis 31.3.). Oberste Priorität haben Förderprogramme für arme Bevölkerungsschichten sowie die Senkung des Haushaltsdefizits. Diese soll durch höhere Steuereinnahmen im Zuge eines kräftigen Wirtschaftswachstums von real 9% erreicht werden. Eine Liberalisierung im Bereich ausländischer Direktinvestitionen lässt weiter auf sich warten.

In diesem Jahr stehen in Indien Wahlen in fünf Bundesstaaten an. Der Haushalt, den Finanzminister Pranab Mukherjee von der regierenden Kongresspartei vorgestellt hat, ist deshalb ein Balanceakt: Das Defizit soll gesenkt werden, jedoch nicht auf Kosten der Wähler. Statt signifikanter Sparmaßnahmen stehen höhere Ausgaben vor allem für die ärmeren Bevölkerungsschichten auf der Agenda.

Um die Neuverschuldung zu begrenzen, setzt Mukherjee auf steigende Einnahmen. Der Minister rechnet mit einem Plus von 18% bei den Steuerzuflüssen. Wenn Indiens Wirtschaft langsamer als mit den erwarteten 9% zulegt, könnte es auf der Einnahmeseite jedoch eng werden. Einige Analysten warnten in den letzten Wochen vor einer leichten Abschwächung des BIP-Wachstums 2011/12 auf eine Rate unterhalb der prognostizierten 8,6% des laufenden Finanzjahres.

Haushalt Indien (in Mrd. iR) 2010/11 2010/11 überarbeitet 1) 2011/12 2)
1 Einnahmen 3) 6.822 7.838 7.899
2 Kapitaleinnahmen 3) 4.265 4.327 4.678
3 Gesamteinnahmen (1+2)3) 11.087 12.166 12.577
4 Nicht-Plan-Ausgaben 7.357 8.216 8.162
5 Plan-Ausgaben 3.731 3.950 4.415
6 Gesamtausgaben (4+5) 11.087 12.166 12.577
7 Einnahmendefizit 2.765 2.698 3.073
8 Haushaltsdefizit 3.814 4.010 4.128
.. in % des BIP 5) 5,5 5,1 4,6
9 strukturelles Defizit 4) 1.327 1.602 1.448
.. in % des BIP 5) 1,9 2,0 1,6

CSV Export

Wechselkurs: 1 Euro = 63,60 indische Rupien (iR)

1) Stand Februar 2011; 2) Prognose; 3) ohne Einnahmen aus Marktstabilisierungsmaßnahmen; 4) Haushaltsdefizit abzüglich Zinsendienst; 5) Prognose BIP 2011/12: 89.809 Mrd. iR

Quelle: Union Budget 2011-12 ( http://indiabudget.nic.in)

Das Haushaltsdefizit ist das zentrale Thema des Entwurfs. Indien muss nach Beschluss der 13. Pay Commission das Defizit bis spätestens 2014/15 auf 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) senken. Im kommenden Finanzjahr will es der Finanzminister zunächst auf 4,6% reduzieren. Dieses Ziel wird jedoch nicht leicht zu erreichen sein.

Im Finanzjahr 2010/11 konnte das Defizit zwar auf 5,1% statt der geplanten 5,5% gedrückt werden. Die Schulden waren absolut aber um fast 200 Mrd. iR höher als anvisiert, obwohl die Regierung unerwartet hohe Einnahmen aus der Auktion der Lizenzen für das Mobilfunknetz der 3. Generation erzielt hatte. 2011/12 ist nicht mit einer vergleichbaren Finanzspritze zu rechnen.

Erlöse in Höhe von 400 Mrd. iR erhofft sich die Regierung allerdings aus dem Verkauf von Anteilen an staatlichen Unternehmen. Eine vollständige Privatisierung ist nicht vorgesehen; der Staat möchte 51% des Eigentums und die Managementkontrolle behalten. Im Gespräch sind die Firmen Indian Oil, Power Finance Corporation, SAIL, Hindustan Copper und Rashtriya Ispat Nisgam.

Einsparungen sind bei den Treibstoffsubventionen geplant. Diese sollen um 38% beziehungsweise 3,3 Mrd. US$ zurückgefahren werden. Mit welchem Rohstoffpreis er hierbei kalkulierte, verriet der Finanzminister jedoch nicht. Weiter steigende Rohölpreise könnten ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Sollte die wirtschaftliche Entwicklung stützende Maßnahmen der Regierung erfordern, würden die Ausgaben gleichfalls steigen. Risiken bestehen in der hohen Inflation, der Entwicklung der weltweiten Konjunktur, rückläufiger ausländischer Direktinvestitionen, Anzeichen für eine Abschwächung des Wachstums der Industrieproduktion sowie dem Leistungsbilanzdefizit von 3,5% des BIP.

Zentrale Bedeutung hat die Bekämpfung der Inflation, denn diese wird von steigenden Lebensmittelpreisen angetrieben, die weite Teile der Bevölkerung stark belasten. Mehr als 810 Millionen Inder leben laut Weltbank unter der Armutsgrenze. Wie der Finanzminister die ausufernde Inflation kurzfristig bekämpfen möchte, bleibt offen. Einschneidende fiskalische Maßnahmen sind nicht geplant, da diese das Wirtschaftswachstum gefährden könnten. Damit steigt der Druck auf die indische Zentralbank Reserve Bank of India (RBI).

Der Zugang armer Bevölkerungsteile zu Lebensmitteln soll anhand eines angekündigten Nationalen Gesetzes zur Nahrungsmittelsicherheit (National Food Security Bill) verbessert werden. Der Finanzierungsbedarf für das Programm wurde noch nicht genau ermittelt und könnte die öffentlichen Ausgaben weiter erhöhen. Zusätzlich düfte die Koppelung der Löhne im Rahmen des National Rural Employment Guarantee Scheme an die Entwicklung des Konsumentenpreisindex den Staatshaushalt belasten.

Auch die Landwirtschaft selbst wird gefördert, da ein Großteil der Bevölkerung von ihr abhängig ist. Eine der zahlreichen geplanten Maßnahmen in diesem Bereich ist es, die Finanzierungsmöglichkeiten für Farmer zu verbessern. Die Banken werden angehalten, das Kreditvolumen für den Sektor auf 4,8 Bill. iR (+27%) zu erhöhen. Außerdem wird das staatliche Programm zur Aufnahme zinsgünstiger, kurzfristiger Kredite für den Getreideanbau verlängert.

Die Ursache für die gestiegenen Nahrungsmittelpreise liege laut Mukherjee auch am mangelhaften Vertrieb. Die Effizienz der Lebensmittelverarbeitung sowie des Vertriebs sollen in den nächsten Jahren jedoch erhöht werden, weil die Branche aufgrund ihres Beschäftigungs- und Wachstumspotenzials als Zukunftssektor gilt. Es ist daher geplant, weitere Mega Food Parks zu genehmigen, die Kapazitäten der Getreidesilos auszuweiten und Kühlketten aufzubauen. Letztere sollen mit Hilfe staatlicher Kredite gefördert werden. Außerdem erkennt die Regierung künftig Erntelager und Kühlketten als Infrastrukturprojekte an.

Der Haushaltsentwurf sieht steigende Mittel für fast alle Wirtschaftssektoren vor. Der Bereich Verteidigung erhält 1,64 Bill. iR (+12%), Bildung und Gesundheit 521 Mrd. (+24%) beziehungsweise 268 Mrd. iR (+20%). In die Infrastruktur sollen 2,14 Bill. iR (+23%) fließen.

Der Ausbau der mangelhaften Infrastruktur gehört zu den dringlichsten Aufgaben Indiens. Mittelfristig möchte die Regierung die Ausgaben dafür von derzeit 5 bis 6% auf 9% des BIP erhöhen. Sie setzt bei der Umsetzung der Projekte verstärkt auf Public Private Partnership (PPP). Um mehr private Investoren zu gewinnen, will Mukherjee 2011/12 unter anderem einen staatlichen Infrastrukturfonds einrichten, die Obergrenze für Anlagen ausländischer institutioneller Investoren in entsprechende Corporate Bonds erhöhen und steuerfreie Bonds über 300 Mrd. iR auflegen.

Von Investoren geforderte größere Wirtschaftsreformen schob der Minister weiter auf. Dazu zählt auch die lang erwartete Öffnung des Einzelhandels für ausländische Direktinvestitionen. Die Senkung der Einfuhrzölle auf das Niveau der ASEAN-Länder wird ebenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen. Der Spitzensatz verbleibt bei 10%, allerdings werden die Zollsätze im Mittelfeld (2 bis 3%) auf 2,5% vereinheitlicht.

Die Regelsteuersätze der Service Tax und der Central Excise Duty bleiben unverändert bei 10%. Der Mindestsatz der Excise Duty steigt aber auf 5%, und Ausnahmeregelungen für 130 Waren sollen abgeschafft werden. Der Aufschlag (surcharge) auf die Corporate Tax wird von 7,5 auf 5% gesenkt. Die Minimum Alternate Tax (MAT) wird um 0,5 Prozentpunkte auf 18,5% erhöht und soll auch auf Unternehmen, die in Sonderwirtschaftszonen tätig sind, sowie auf Limited Liability Partnerships ausgeweitet werden. Mukherjee kündigte zudem das Inkrafttreten des Direct Tax Code (DTC) zum 1.4.12 an. In Bezug auf die landesweit einheitliche Waren- und Dienstleistungssteuer (Goods and Services Tax, GST) seien Differenzen zwischen Zentralstaat und den Bundesstaaten weitestgehend beigelegt worden, sodass der Gesetzgebungsprozess vorangetrieben werden könne. Allerdings benannte Mukherjee keinen festen Einführungszeitpunkt für die GST.

Änderungen bei der Einkommensteuer versprechen mehr Geld für Geringverdienende und Senioren. Die Einkommensgrenzen für die Steuerbefreiung dieser zwei Bevölkerungsgruppen wurden erhöht. Gleichzeitig senkte der Minister das Eintrittsalter der für diese Förderung berechtigten Senioren auf 60 Jahre und schuf eine neue Gruppe der über 80-Jährigen mit einer noch höheren Einkommensgrenze. Außerdem verspricht Mukherjee mehr Anreize zur Einzahlung in den staatlichen Pensionsfonds.

Die Reaktionen der Wirtschaft auf den Haushaltsentwurf zeigen Erleichterung, dass die Verbrauchsteuer, die Excise Duty, nicht erhöht wurde, aber auch Skepsis, ob die geplante Senkung des Haushaltsdefizits umgesetzt werden kann. Die Börsianer honorierten den Haushalt mit einem Anstieg des Sensex am Tag der Bekanntgabe um 0,7% und am Folgetag um weitere 1,4%.